Das Infrarot-Weltraumobservatorium (ISO) der Europäischen Weltraumorganisation hat den Kometen Hale-Bopp im Frühjahr und Herbst 1996 untersucht. Beobachtungen zu anderen Zeiten waren deshalb nicht möglich, weil das ISO-Teleskop auf einer Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt gehalten werden muß und daher nicht auf Regionen in Sonnen- und Erdnähe ausgerichtet werden darf. Die Auswertung der 1996 angestellten Beobachtungen ist noch nicht abgeschlossen, hat aber bereits neue Erkenntnisse über die Beschaffenheit von Kometen geliefert.
Hale-Bopp ist demnach ein großer Komet, dessen Kern einen Durchmesser von etwa
40 km hat. Er wurde im Juli 1995 von zwei amerikanischen Astronomen, Alan Hale
und Thomas Bopp, unabhängig voneinander entdeckt. Damals war der Komet noch
eine Milliarde km von der Sonne entfernt, aber bereits 200mal heller als der
Halleysche Komet in vergleichbarer Entfernung. Hale-
Bopp wird der Erde am 22. März am nächsten kommen und seinen sonnennächsten
Punkt (Perihelion) am 1. April 1997 erreichen.
Erste wissenschaftliche Erkenntnisse mit ISO
Der Komet Hale-Bopp wurde schon vor dem Start von ISO im November 1995 entdeckt. Als er im März und April 1996 mit ISO erstmals beobachtet wurde, war er noch rund 700 Millionen km von der Sonne und nahezu gleich weit von der Erde und von ISO entfernt. Dank seines ungetrübten Blicks im Infrarotbereich, der von der Erdoberfläche aus nicht zugänglich ist, hat das ISO-Photometer (ISOPHOT) entdeckt, daß Kohlendioxid ein wichtiger Bestandteil der Gasemissionen des Kometen ist. Mit ISOPHOT konnte auch die Temperatur der Staubwolke um Hale-Bopp gemessen werden. Im März 1996, als der Komet noch über 700 Millionen km von der Sonne entfernt war, betrug die Temperatur der Staubwolke -120°C. Als mit ISOPHOT im Oktober 1996 Vergleichsmessungen angestellt wurden und der Komet 420 Millionen km von der Sonne entfernt war, hatte sich die Staubwolke auf etwa -50°C erwärmt.
Intensive Beobachtungen des Kometen Hale-Bopp wurden auch mit dem Kurzwellenspektrometer (SWS), dem Langwellenspektrometer (LWS) und dem ISOPHOT-Spektrometer (PHOT-S) angestellt. Die Ergebnisse dieser Beobachtungen sollen Ende März veröffentlicht werden. Sie geben Auskunft über die Zusammensetzung der Staub- und Gasemissionen des Kometen und über die Gasentweichrate, anhand deren abgeschätzt werden kann, wieviel Materie Hale-Bopp während seines Aufenthalts in Sonnennähe verlieren wird.
"Wir erwarten eine Reihe faszinierender Erkenntnisse", sagt Thijs de Graauw von der Universität Groningen, der für das bei dieser Untersuchung eingesetzte SWS-Instrument verantwortlich ist. "Was mich begeistert, ist die uns gebotene Gelegenheit, den jetzt im Sonnensystem zu beobachtenden staubigen Kometen Hale-Bopp mit anderen staubigen Objekten in fernen Sternregionen zu vergleichen, die aus ähnlichem Material zu bestehen scheinen. Die Infrarot-Astronomie hat die besondere Fähigkeit, die Chemie der kosmischen Objekte aller Größenordnungen angefangen von kleinen Staubkörnern in Erdnähe bis zu fernen Riesengalaxien zusammenzuführen."
Der Staub interessiert die Infrarotastronomen allein schon deswegen, weil ihr Blick
ins Universum in gewissem Maße durch den von Kometen hinterlassenen Staub
getrübt wird. Zusammen mit feinen Überresten von Asteroiden bildet der
Kometenstaub im Infrarot ein helles Himmelsband, das dem manchmal in der
Abenddämmerung über dem Erdhorizont beobachtbaren Nordlicht
entspricht. Der Vorläufer von ISO, der amerikanisch-holländisch-britische
Infrarot-Astronomiesatellit IRAS, hat sehr viel ausgedehntere und dauerhaftere
Kometenstaubschleppen als die bekannten Kometenschweife gefunden. ISO hat eine
solche Schleppe beim Kometen Kopff beobachtet. Durch die Vermessung von meist
viel größeren Staubkörnern als im sichtbaren Licht
hoffen die ISO-Wissenschaftler, mehr über das langfristige Verhalten des Staubs im
Sonnensystem in Erfahrung zu bringen.
Mit der Kamera ISOCAM wurden im Oktober 1996 eine Reihe von Aufnahmen des Kometen Hale-Bopp gemacht, die zur Zeit unter Leitung von Philippe Lamy aus Marseille ausgewertet werden. "Wir wollen den Kometenkern entschleiern", erläutert Professor Lamy. "Im Prinzip lassen sich mit dem Hubble-Weltraumteleskop im sichtbaren Licht mehr Einzelheiten ausmachen, doch ist der Kontrast zwischen dem Kometenkern und der ihn umgebenden hellen Koma bei Infrarot-Wellenlängen schärfer. Der Kern sendet nämlich eine sehr starke Wärmestrahlung aus, die dank der hohen räumlichen Auflösung von ISO registriert werden kann. Wir haben eine lange Bildserie des Kometen und hoffen daher, die Lichtkurve des Kerns bestimmen zu können woraus sich wiederum Rückschlüsse auf seine Form und Rotationsgeschwindigkeit ziehen lassen."
Führende Rolle in der Kometenforschung
Da die Kometen Überbleibsel aus der Anfangsphase des Sonnensystems sind und bei der Bildung der Planeten eine wichtige Rolle gespielt haben, stellen sie ein Bindeglied zwischen der Erde und der Sternenwelt dar. Die in Kometen enthaltenen Kohlenstoffverbindungen lieferten wahrscheinlich die Rohstoffe für die Entstehung des Lebens auf der Erde, deren Meere einer gängigen Theorie zufolge aus geschmolzenem Kometeneis bestehen. Weitere Erkenntnisse über die Zusammensetzung und das Verhalten von Kometen sind daher für ein besseres Verständnis unserer kosmischen Herkunft von entscheidender Bedeutung.
In der Weltraumforschung über Kometen spielt die ESA eine führende Rolle. Ihre Sonde "Giotto" war die kühnste der internationalen Armada von Raumfahrzeugen, die dem Halleyschen Kometen im März 1996 entgegenflog. Giotto machte aus einer Entfernung von nur 600 km spektakuläre Aufnahmen des Kometenkerns und sammelte eine Fülle äußerst wertvoller Daten. Bei ihrem nahen Vorbeiflug wurde die Sonde durch aufschlagende Staubteilchen stark beschädigt, was sie aber nicht daran hinderte, nach einer navigatorischen Meisterleistung dem Kometen Grigg-Skjellerup im Juli 1992 noch näher auf den Leib zu rücken. Gegenwärtig plant die ESA die Rosetta-Mission, bei der eine Raumsonde den Kometen Wirtanen aufsuchen und in einem längeren Begleitflug weit
ausführlichere Beobachtungen anstellen soll, als es bei den kurzen Begegnungen mit
den Kometen Halley und Grigg-Skjellerup möglich war.
Was die Weltraumastronomie betrifft, hat der internationale Ultraviolett-Satellit
IUE, an dem die ESA beteiligt war, einzigartige Beobachtungen des Halleyschen
Kometen im Ultraviolettlicht angestellt. Die ESA ist auch Partner beim
Hubble-Weltraumteleskop, das den historischen
Einschlag des Kometen Shoemaker-Levy 9 auf Jupiter im Juli 1994 verfolgte und
seither den Kometen Hyakutake wie auch Hale-Bopp beobachtet hat. Das von der
ESA im Rahmen einer Gemeinschaftsmission mit der NASA gebaute
Sonnenobservatorium SOHO sieht Kometen wiederum auf andere Weise. Mit
seinem SWAN-Instrument hat es die Wasserstoff-Korona von Kometen vermessen.
Sein Koronograph LASCO hat den Kometen Hyakutake beim Umrunden der Sonne
(als er vom Boden aus nicht sichtbar war) beobachtet und sieben neue Kometen in
unmittelbarer Nähe der Sonne entdeckt.
Nur ISO versorgt die Astronomen mit Kometendaten über einen sehr breiten Bereich infraroter Wellenlängen, die der Beobachtung vom Boden aus nicht zugänglich sind. Neben Hale-Bopp hat ISO die Kometen Schwassmann-Wachmann 1, Chiron, Kopff, IRAS 1 und Wirtanen unter die Lupe genommen. Der letztgenannte, Komet Wirtanen, ist das Ziel der Rosetta-Mission und stattet dem Sonnensystem gerade einen seiner sich alle sechs Jahre wiederholenden Besuche ab.
Der Leiter des ISOPHOT-Teams, Professor Dietrich Lemke aus Heidelberg, faßt den herausragenden Beitrag, den ISO zur Kometenforschung leistet, wie folgt zusammen:
"Durch die Messung der äußerst schwachen Wärmestrahlung dieser kalten Objekte in verschiedenen Entfernungen erhalten wir gewissermaßen ein Thermometer, das das steigende Fieber eines Kometen bei der Annäherung an die Sonne anzeigt. Mit zunehmender Aufheizung verdampft eine Eisart nach der anderen und hinterläßt dabei chemische Signaturen im Infrarotspektrum. Wir können auch die Zusammensetzung des vom Kometen ausgestoßenen Mineralstaubs bestimmen. Auf diese Weise vermittelt ISO ein lebhaftes Bild von Kometen in Aktion, was ihm kein anderes Instrument nachmachen kann."
Fotos können auf Internet unter folgender Adresse abgerufen werden