Nun sind aber die Himmelsregionen, in denen die meisten Sterne entstehen, kühl und staubig und selbst für das Hubble-Teleskop undurchsichtig. Da die Infrarotstrahlung jedoch die Staubwolken durchdringt, kann ISO bisher unsichtbare Objekte sowie die in ihnen stattfindenden atomaren und chemischen Vorgänge erforschen.
"ISO liest das Rezeptbuch der Natur", so Roger Bonnet, Direktor für das wissenschaftliche Programm der ESA. "Es ist das einzige Teleskop, das den Weltraum über einen breiten Bereich von Infrarotwellenlängen beobachten kann, und absolut unerläßlich, wenn es darum geht, unseren kosmischen Ursprung zu erklären."
Im folgenden sollen einige Etappen unserer Entstehungsgeschichte beschrieben werden, deren Pendants wir dank ISO noch heute beobachten können.
Die Entwicklung der Galaxien
Am Anfang war der Wasserstoff, vermischt mit Helium und winzigen Spuren anderer
leichter Atome, die aus dem Urknall hervorgegangen sind, jener hypothetischen
Explosion, durch die vor über 10 Milliarden Jahren das Weltall entstanden ist. Das
Urgas befand sich in einem sehr trägen Zustand, so daß aus ihm keine Staubpartikel,
geschweige denn Leben entstehen konnte. Durch die Schwerkraft jedoch verdichteten
sich Wasserstoff und Helium zu Sternen, die dann infolge der in ihnen stattfindenden
Kernfusionsprozesse zu leuchten anfingen. Im Zuge der weiteren Entwicklung der
Sterne entstanden dann neue Elemente wie Kohlenstoff, Sauerstoff und Silizium.
Die ins All abgestoßenen Materieteilchen reagierten sowohl mit Wasserstoff als auch untereinander und formierten sich zu eis-, teer- und steinartigen Körnern kosmischen Staubs. Die riesigen Sternansammlungen, die wir Galaxien nennen, wurden gleichsam zu Schmelztiegeln, in denen die Natur nach den Gesetzen der Physik und der Chemie neue Verbindungen und neue Sterne schuf. Die von den fernsten Galaxien zu uns kommende Strahlung benötigt viele Milliarden Jahre, bis sie uns erreicht, d.h. wir erblicken diese Galaxien so, wie sie kurz nach ihrer Entstehung aussahen. Der Quasar BR 1202-0225, die fernste bisher von ISO beobachtete Galaxie, aus einer Zeit, als das Universum nur ein Zehntel seines jetzigen Alters besaß, weist schon einen hohen Staubanteil auf.
ISO hat auch viele Galaxien in einem der Hälfte des Weltalters entsprechenden Stadium beobachtet, indem es lange durch ein Fenster im Staub unserer Milchstraße blickte, das sogenannte Lockman-Loch. Die Astronomen vermuten, daß in den im Infrarotbereich am hellsten strahlenden Galaxien in Schüben, die man Starburst nennt, eine extrem hohe Anzahl junger Sterne entsteht. Starke Infrarotemissionen naher Galaxien lassen sich durch Kollisionen und gewaltige Eruptionen in deren Zentrum erklären, die für die Entwicklung einer Galaxie keineswegs untypisch sind.
"Mit ISO in der Umlaufbahn haben wir ganz neue Möglichkeiten, die Entwicklung von Galaxien zu erforschen", so der japanische Astronom Yoshiaki Taniguchi von der Universität Tohoku. "ISO reagiert auf Infrarotwellenlängen, die auf der Erde kaum empfangen werden können, und kann so Galaxien ausmachen, die sich in Zeiten intensiver Sternbildung extrem schnell entwickeln. Einige von ihnen sind vielleicht auch Infrarotgalaxien mit sehr aktiven Kernen."
Die Milchstraße, unsere eigene Galaxie, hat ihren Namen nach dem hellen Sternenband erhalten, das sich quer über das Himmelsgewölbe erstreckt. Verglichen mit anderen Galaxien durchlief sie eine relativ ruhige Entwicklung, obwohl sich auch in ihr immer wieder heftige Prozesse der Sternentstehung und Sternvernichtung abspielten, deren Überreste überall um uns herum zu finden sind. ISO hat bei seiner systematischen Beobachtung der Milchstraße kühle und relativ alte, aber auch junge staubige Sterne entdeckt, die stark im Infrarotbereich strahlen. Am auffallendsten in den Bildern von ISO sind aber dünne Staubwolken, die sich quer über den Himmel hinziehen, verstreute Überreste toter Sterne. Ab und an finden sich auch dickere und hellere Staubwolken, in denen sich neue Sterne bilden. In genau solch einer Staubregion entstanden auch die Sonne und die Erde.
Tod und Neugeburt unter den Sternen
Unsere Sonne ist ein Stern mittleren Alters und entstand vor ungefähr viereinhalb
Milliarden Jahren, als das Universum etwa halb so alt war wie heute. Sie hat etwa die
Hälfte ihrer voraussichtlichen Entwicklung durchgemacht. Alle Atome in der Sonne,
auf der Erde und in uns selbst, die schwerer sind als die ursprünglichen Elemente
Wasserstoff und Helium, sind in Sternen der Milchstraße entstanden, deren
Entwicklung zu Ende ging, noch bevor es unsere Sonne gab. Die Untersuchung der
atomaren "Fingerabdrücke" von verschiedenen Gesteinskörnern in Meteoriten hat
ergeben, daß viele Sternvorfahren zu dem Bestand an Elementen in unserem
Sonnensystem beigetragen haben. Leider ist ihre Asche zu sehr in der Galaxis
verstreut, als daß sie genauer identifiziert werden könnte. Die Astronomen können
aber die heutigen Pendants dieser Sternvorfahren noch unter den jüngeren Sternen
ausmachen. ISO gibt ihnen neuen Einblick in die Vorgänge zwischen Sterntod und
-neugeburt.
Ein sterbender Stern schleudert chemisch reiche Materie in den interstellaren Raum. Diese Materie verdichtet sich anschließend wieder zu neuen Sternen und Planeten. ISO hat einen herausragenden Beitrag zur Klärung der chemischen Zusammensetzung von Gas und Staub in der Umgebung von alten und jungen Sternen und in Kometen geleistet. Wie schon in vorangegangenen Presseinformationen beschrieben, wurden u.a. Kohlenmonoxyd, Wasserdampf oder -eis, teerartige kohlenstoffreiche Verbindungen und Minerale, wie z.B. Olivin, das ein Hauptbestandteil des Erdmantels ist, anhand ihrer Infrarotsignatur identifiziert.
Auch die Sonne wird sich am Ende ihrer Entwicklung aufblähen und abkühlen und schließlich einen Großteil ihrer Masse in den Weltraum abstoßen. Ihr ausgebrannter Kern wird zu einem weißen Zwerg zusammenfallen. Ein Stern von der Größe der Sonne bildet in seiner letzten Lebensphase einen planetarischen Nebel - eine Sphäre zerstreuter Asche um die leuchtende Glut des weißen Zwergs. ISO hat mehrere solcher planetarischer Nebel beobachten können, z.B. den kürzlich mit erstaunlicher Genauigkeit aufgenommenen Helixnebel.
Massereiche Sterne verbrennen nicht nur schneller als sonnenähnliche Sterne. Sie setzen mit einer Supernovaexplosion ihrer Entwicklung auch ein spektakuläres Ende. Ein so explodierender Stern leuchtet ein paar Wochen lang heller als eine Milliarde Sonnen. Sein Kern fällt zu einem Neutronenstern zusammen, der sehr viel dichter ist als ein weißer Zwerg. Seine äußeren Schichten jedoch werden in den Weltraum abgestoßen. Supernovae sind für die Chemie des Universums von großer Bedeutung, weil nur sie die schwersten Elemente wie Gold oder Uran hervorbringen.
Die Überreste einer Supernova sind noch Tausende von Jahren nach der Explosion zu erkennen. Die letzte in unserer Milchstraße beobachtete Supernova leuchtete vor über 300 Jahren auf. In dem aus ihr entstandenen Nebel Cassiopeia A konnte ISO Staubbildung zum ersten Mal direkt und in allen Einzelheiten mit Hilfe der auf der Erdoberfläche unsichtbaren Infrarotstrahlung erforschen.
"Die in der Supernova frisch fusionierten Elemente müssen erst abkühlen, bevor sie neuen interstellaren Staub bilden können", so der Leiter der Cassiopeia-A-Studie, Pierre-Olivier Lagage von der Abteilung Astrophysik des französischen Commissariat à l'Energie Atomique (CEA) in Saclay. "Mit der ISO-Kamera können wir Emissionen verschiedener Elemente ausmachen. Wir haben z.B. beobachtet, wie sich die von dem Stern abgestoßenen heißen Materieklumpen direkt zu entsprechenden Staubklumpen entwickeln."
Der Trifid-Nebel wiederum ist die Geburtsstätte einer neuen Generation sehr massereicher Sterne. Im sichtbaren Licht ist er als große Gaswolke erkennbar, die durch heiße, noch im Anfangsstadium ihrer Entwicklung befindliche Sterne zum Leuchten gebracht wird. Seinen Namen erhielt er von den dunklen Staubwolken, die den hellen Nebel durchkreuzen. Eine ISO-Infrarotaufnahme zeigt aber ein ganz anderes Bild: Jetzt leuchten auf einmal die dunklen Wolken, während die hellen Regionen dunkel bleiben. ISO konnte durch den Staub hindurch in den dunklen Wolken Regionen hoher Dichte ausmachen, in denen neue Sterne entstehen.
Kosmische Brutstätten
Eines der Themen, die bei der Forschung mit ISO im Vordergrund stehen, sind die
Frühstadien der Sternentwicklung. Prästellare Kerne sind eiförmige Objekte, die in
großen Staubwolken versteckt liegen. Eine relativ kühle, dicke Staubschicht verdeckt
das Wolkeninnere, in dem Gas unter dem Einfluß der Gravitation zu einem
Sternembryo kollabiert. Wenn sich dann der Staub gelichtet hat und das dahinter
liegende Objekt sichtbar wird, sind die entscheidenden Etappen der Sternbildung
bereits vorbei. Die wahren Vorgänge bei der Sternentstehung aber lassen sich nur mit
Radiowellen und langwelligem Infrarot erforschen, denn nur sie können die dichte
Staubwolke durchdringen.
Derek Ward-Thompson vom Royal Observatory in Edinburgh sowie seine Kollegen in Frankreich und an der Universität Cambridge waren die ersten, die bei Untersuchungen im Submillimeterbereich den prästellaren Kern L1689B im Sternbild Ophiuchus (Schlangenträger) entdeckten. Dieser Kern ist noch sehr jung und steht kurz vor dem Kollaps, der ihn zu einem neuen Stern macht. Die Forscher konnten nun mit dem Photometer ISOPHOT die ersten Infrarotbilder von L1689B machen, und zwar bei sehr langen Infrarotwellenlängen - bis hin zum ISOPHOT-Höchstwert von 200 Mikron , denn die Staubhülle ist mit -260°C bzw. 13 K so kalt, daß sie selbst bei kurzen oder mittleren Infrarotwellenlängen nicht zu sehen ist.
Durch die Kombination der Ergebnisse von ISO mit Beobachtungen gleicher oder ähnlicher Objekte im Submillimeterbereich sind die Astronomen nun in der Lage, sich ein genaues Bild von der Frühphase der Sternentwicklung zu machen.
"Unsere Kollegen hielten es für unmöglich, jemals prästellare Kerne mit den heute zur Verfügung stehenden Beobachtungsgeräten zu entdecken", so Ward-Thompson. "Jetzt, wo wir es dank der Radioteleskope am Boden und ISO in der Umlaufbahn geschafft haben, kann ein neues Kapitel in der Geschichte der Sternentwicklung geschrieben werden. Unsere Ergebnisse widersprechen z.B. der bisherigen Annahme, daß ein prästellarer Kern schnell rotiert. Das ist nicht der Fall. Außerdem konnten wir feststellen, daß ein Stern im Frühstadium seiner Entstehung nicht so kollabiert, wie wir dachten."
Auf der Suche nach dem Ursprung der Planeten
Unser direkter kosmischer Vorläufer war der solare Nebel, jene Wolke aus Gas und
Staub, die vermutlich die Sonne bei ihrer Geburt vor etwa viereinhalb Milliarden
Jahren umgab. Unter dem Einfluß der Gravitation verdichteten sich Gas und Staub zu
einer Scheibe, die etwa so aussah wie eine gigantische Version der Saturnringe. Aus
stein- und eisartigen Staubkörnern formierten sich allmählich die Planeten und mit
ihnen auch die Erde. Überbleibsel aus der Zeit der Entstehung unseres Sonnensystems
finden wir in den Kometen, weshalb ISO auch deren chemische Zusammensetzung
untersucht hat. Bis zum Durchbruch der Weltraum-Infrarotastronomie jedoch war die
Entstehung von Planeten aus der Staubscheibe des solaren Nebels eine bloße Theorie.
Zu den zeitaufwendigeren ISO-Projekten gehört die Erforschung von Staubscheiben um mittelgroße Sterne. Auch die Sonne verfügt noch über eine solche Scheibe, die wir im Frühling nach Sonnenuntergang oder im Herbst vor Sonnenaufgang nahe dem Horizont als Zodiakallicht sehen können. Eine Staubscheibe dieser Art wäre jedoch zu dünn, wollte man sie in der Umgebung eines anderen Sterns ausmachen.
Um so größer war die Überraschung, als der Vorläufer von ISO, der 1983 gestartete niederländisch-britisch-amerikanische Infrarot-Astronomiesatellit IRAS, ähnliche Staubscheiben bei einigen relativ nahegelegenen Sternen entdeckte, z.B. bei Wega und Beta Pictoris. Diese Staubscheiben enthalten wesentlich mehr Materie als die der Sonne, sind aber aufgrund der großen Entfernung zu ihrem Zentralgestirn viel kälter als unsere Zodiakalwolke. In der Entfernungsskala des Sonnensystems lägen sie noch jenseits des Neptun. Diese Scheiben sind für die Astronomen deshalb so faszinierend, weil sie zeigen, daß auch andere Sterne von Materie umgeben sind, die noch aus der Zeit ihrer Entstehung stammt. Somit kann man annehmen, daß außer der Sonne noch viele andere Sterne ein "Sonnensystem" mit Planeten, Asteroiden und Kometen besitzen. Selbst wenn man solche "Sonnensystemscheiben" auch mit anderen Mitteln erforschen kann, wird es doch in erster Linie die Aufgabe von ISO sein, weitere Sterne mit wesentlich höherer Empfindlichkeit zu beobachten, um zu ermitteln, wie häufig solche Scheiben auftreten und wie lange sie den natürlichen Prozessen standhalten, die sie zu zerstören drohen.
Erste Untersuchungen haben gezeigt, daß ISO in einigen Fällen schwache Scheiben
erkennt, in anderen Fällen Obergrenzen für möglichen Staub setzt. Manche Scheiben
sind bei recht langen Wellenlängen erkennbar, was darauf hindeutet, daß sie sich über
ziemlich große Entfernungen von ihrem Stern erstrecken. Auch wenn noch eine Menge
anderer Beobachtungsdaten ausgewertet werden muß, läßt sich vorläufig sagen, daß
viele, wenn auch längst nicht alle Sterne über eine Staubscheibe verfügen.
Anmerkungen zu ISO
Das ISO-Teleskop kann dank modernster Technik auf einer extrem niedrigen
Temperatur gehalten werden, um so die kühlen Regionen des Universums zu
erforschen. Seine wissenschaftlichen Instrumente wurden von mehreren
internationalen Forschergruppen unter deutscher, französischer, niederländischer und
britischer Leitung entwickelt. ISO wurde am 17. November 1995 von einer
Trägerrakete des Typs Ariane 44P in die Umlaufbahn gebracht. Die von
Wissenschaftlern aus aller Welt eingegangenen Beobachtungsvorschläge übersteigen
die zur Verfügung stehende Beobachtungszeit um ein Vielfaches, auch wenn die
Satellitenlotsen in der ESA-Bodenstation in Villafranca (Spanien) täglich im Schnitt 45
astronomische Beobachtungen betreuen.
Weitere Auskunft erteilen:
Simon Vermeer, ESA Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, tel:+33.1.5369.7155
Dr. Martin Kessler, ESA Project Scientist for ISO, tel:+34.1.813.1253
Prof Peter Clegg, Principal Investigator, Long Wavelength Spectrometer, tel:+44.171.975.50.38
Dr. Thijs de Graauw, Principal Investigator, Short Wavelength Spectrometer, tel:+31.50.363.40.74
Prof. Dietrich Lemke, Principal Investigator, Photometer, tel:+49.6221.528.259
Dr. Catherine Cesarsky, Principal Investigator, Camera, tel:+33.1.6908.7515
Dr. Y. Taniguchi, tel:+81.22.222.18.00
Dr. P. Olivier Lagage, tel:+33.1.69.08.70.16
Dr. D. Ward Thompson, tel:+44.131.668.81.00
Dr. H. Walker, tel:+44.1235.446.490
Dr. J. Cernicharo, tel:+34.1.590.16.11
Dr. P. Cox, tel:+33.1.69.85.86.75
Dr. M. Perault, tel:+33.1.44.32.33.52