Zusammenstöße zwischen Galaxien, die Milliarden einzelner Sterne enthalten, sind die gewaltigsten Ereignisse seit der Entstehung des Universums. Sie kommen möglicherweise oft genug vor, um bei der Entwicklung der Galaxien eine wichtige Rolle zu spielen, und bilden daher einen der Schwerpunkte des ISO-Beobachtungsprogramms. Kollisionen lösen Sternbildungsprozesse in dichten Staubwolken aus. Diese sind undurchlässig für sichtbares Licht, so daß sogar dem Hubble-Weltraumteleskop ein Blick auf das Geschehen in ihrem Innern verwehrt bleibt.
Eines der mit der ISO-Kamera anvisierten Objekte war ein 60 Millionen Lichtjahre entferntes Galaxienpaar mit der Bezeichnung "Antennae". Der Name erklärt sich aus den fühlerähnlichen Sternbändern, die durch eine Kollision aus den Galaxien herausgerissen wurden. Die beiden Galaxien sehen im sichtbaren Licht sehr ähnlich aus. Dank der durch ISO erschlossenen neuen Beobachtungs- und Meßmöglichkeiten läßt sich erkennen, daß die Begegnung innerhalb der beiden Galaxien unterschiedliche Prozesse ausgelöst hat.
Dem scharfen Infrarotauge von ISO enthüllt sich in einer der beiden Galaxien ein großer Ring intensiver Sternbildung um den zentralen Kern. In der anderen Galaxie ist nichts vergleichbares erkennbar. Eine weitere Sternbildungsregion erstreckt sich entlang einer Linie, wo sich die beiden Galaxienscheiben überschneiden und wo die Kollision am heftigsten verläuft. Die ISO-Kamera hat auch zwei sich durchdringende Galaxien in 230 Millionen Lichtjahren Entfernung beobachtet, die als Arp 220 bezeichnet werden. Hier ist die starke Infrarotemission auf eine so kleine Region begrenzt, daß die Astronomen eine Wechselwirkung mit einem gigantischen schwarzen Loch vermuten.
Im langwelligen Infrarot hat das ISO-Photometer in einem Paar kollidierender Galaxien (NGC 6090) eine Staubtemperatur von minus 250° C gemessen. Die Astronomen schätzen, daß in NGC 6090 jedes Jahr rund 25 sonnenähnliche Sterne geboren werden (während in unserer Milchstraße jährlich nur etwa zwei oder drei solcher Sterne entstehen).
Der benachbarte Spiralnebel M 51 war das erste Beobachtungsziel nach der Inbetriebnahme des ISO-Teleskops am 28. November. Seitdem hat das Kamera-Team sehr viel bessere Aufnahmen von M 51 gemacht. Die Infrarotbilder lassen Sternbildungsregionen entlang den Spiralarmen der Galaxie und zu beiden Seiten des Kerns erkennen.
Hauptexperimentatorin für die ISO-Kamera ist Prof. Catherine Cesarsky vom CEA Saclay (Frankreich). Sie sagt: "Ich finde ISO deshalb so faszinierend, weil wir dank seiner Empfindlichkeit Sternausbrüche in sehr jungen Galaxien beobachten und die Geschichte der Galaxien bis zum heutigen Tag verfolgen können. Nur durch die Untersuchung anderer Galaxien können wir unsere eigene Galaxis, die Milchstraße, voll verstehen und begreifen, wie sie die Voraussetzungen für das Leben geschaffen hat."
Die für das Kurzwellen-Spektrometer auf ISO verantwortliche Gruppe erprobte ihr Instrument an einer Staubwolke mit der Bezeichnung GL 2591, die einen neugeborenen massereichen Stern umgibt. Die Astronomen identifizierten darin Moleküle in festem Zustand als Eisarten, von denen manche, z.B. Wasserstoffzyanid-Eis, bisher noch nie im Weltraum vorgefunden wurden. Dr. Thijs de Graauw vom Weltraumforschungslabor in Groningen in den Niederlanden ist der Hauptexperimentator für das ISO-Kurzwellen-Spektrometer.
"Wir wollen wissen, wie Sonne und Erde entstanden sind", sagt Dr. de Graauw, "und ISO gibt uns wertvolle neue Hinweise. Unsere Aufgabe mit dem hochauflösenden Spektrometer besteht darin, die Temperaturen, Drücke und Bewegungen in den Geburtsstätten der Sterne zu messen. Molekül- und Staubbeobachtungen liefern diagnostische Hilfen."
MSH 11-54 ist der Überrest einer Supernova, d.h. der Explosion eines Riesensterns am Ende
seines Lebens. Die Trümmer zahlreicher Supernovae sind über die Milchstraße verstreut und
versorgen sie mit chemischen Elementen, die durch die Kernreaktionen in den Sternen aus
dem Urwasserstoff und Urhelium entstanden sind. ISO wird die Umwandlung dieser
Nährstoffe unserer Galaxis bis zur Bildung neuer Sterne und Planeten untersuchen, auf denen
sich vielleicht einmal Leben entwickelt.
"Wir haben unser Dasein Sternleichen zu verdanken", bemerkt Prof. Dietrich Lemke vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie, Hauptexperimentator für das ISO-Photometer. "Unsere Knochen, unser Fleisch und das unser Blut färbende Eisen bestehen aus Atomen von Sternen, die zerfallen sind, bevor die Sonne und die Erde entstanden. Wir rechnen damit, daß wir bei der Untersuchung von Supernova-Überresten viele Atome, Moleküle und Staubteilchen identifizieren werden. Und wir halten Ausschau nach Diamanten, die bei Sternexplosionen möglicherweise ins All geschleudert wurden."
Kleinere Sterne sterben auf weniger gewalttätige Weise, stoßen dabei aber Materie in Form von sog. planetarischen Nebeln ab. Alle ISO-Teams haben bei der Erprobung ihrer Instrumente solche planetarischen Nebel aufgespürt. Das breite Einsatzspektrum von ISO im Infrarot veranschaulicht eine Reihe von Kameraaufnahmen des planetarischen Nebels NGC 6543, dessen Aussehen sich spektakulär verändert, je nachdem, ob die Infrarot-Emissionen von Kohlenwasserstoffen, Neon, Schwefel oder Staub abgebildet sind.
Emissionen bei einer Wellenlänge von 158 Mikrometer (etwa ein sechstel Millimeter)
stammen von ionisierten Kohlenstoffatomen in den Wolken, die die Räume zwischen Sternen
ausfüllen. Das Langwellen-Spektrometer hat u.a. Emissionen aus einer Region, in der Sterne
geboren werden, von einem sterbenden Stern, von warmen und kalten Staub- und
Gaswolken und sogar von äußerst kalten Kohlenwasserstoffwolken (sog. Infrarot-Zirren)
registriert. Obwohl für das Auge völlig unsichtbar, könnte die von diesen abgegebene Energie
dem Licht von etwa einer Milliarde Sterne entsprechen. Sie beeinflußt den Energiehaushalt -
und damit die Temperatur - der Milchstraße wie auch anderer Galaxien.
"Die Spektroskopie ist ein wichtiges Mittel für die Untersuchung der physikalischen und chemischen Gegebenheiten in astronomischen Objekten", sagt Prof. Peter Clegg vom Queen Mary and Westfield College in London, Hauptexperimentator für das ISO-Langwellen-Spektrometer. "ISO hat ein neues spektroskopisches Fenster zum Kosmos geöffnet, durch das wir bereits neue Einblicke in die Physik von Planeten, jungen und alten Sternen sowie Galaxien gewonnen haben. Die nächsten achtzehn Monate dürften unsere Sicht des Universums grundlegend verändern."
Daß ISO zur Zeit den Infrarothimmel allein beherrscht, liegt daran, daß ein Weltraumteleskop für den Infrarotbereich sehr schwer zu bauen ist. Es muß kälter als die von ihm beobachteten kosmischen Objekte sein, was bedeutet, daß es bei Temperaturen unterhalb von minus 271° C - nahe dem absoluten Nullpunkt - arbeiten muß. Nachdem die IRAS-Mission 1983 eine erste Infrarotskizze des Universums geliefert hatte, kam die ESA noch im selben Jahr zu dem Schluß, daß die Infrarotastronomie den enormen technischen Aufwand für den Bau eines solchen kalten Observatoriums und seinen Einsatz im Weltraum wert ist. Geeignete wissenschaftliche Instrumente wurden konzipiert, und 1986 liefen die Fertigungsarbeiten in der Industrie an.
Das Teleskop und seine Instrumente sind in einem großen Behälter mit superflüssigem Helium untergebracht, das langsam verdampft und damit die gewünschte niedrige Temperatur aufrechterhält. Natürlich wird der Heliumvorrat einmal verbraucht sein. Nach den Spezifikationen sollte ISO mindestens 18 Monate betriebsfähig bleiben. Der neuesten Schätzung der endgültigen Betriebstemperatur zufolge dürfte die vorgeschriebene
Betriebsdauer um 6 Monate überschritten werden, so daß die astronomischen Beobachtungen
bis November 1997 fortgesetzt werden können. ISO funktioniert in jeder Hinsicht
einwandfrei und ist ein wahrer Triumph für die europäischen Industrieteams, die es
hervorgebracht haben.
Einmal pro Tag durchläuft ISO seine langgestreckte Bahn um die Erde. Dabei stellt es astronomische Beobachtungen während 16 Stunden an, in denen es sich außerhalb der unseren Planeten umgebenden Strahlungsgürtel befindet. In dieser Zeit steht die Bodenstation der ESA in Villafranca bei Madrid fast ständig mit ISO in Funkkontakt. Wenn der Satellit vorübergehend aus dem spanischen Sichtbereich verschwindet, übernimmt die NASA-Station in Goldstone in Kalifornien seine Betreuung.
"Sowohl in wissenschaftlicher als auch in technischer Hinsicht ist ISO ein großer Erfolg für die ESA", sagt Dr. Martin Kessler, der Projektwissenschaftler für diese Mission. "Bisher haben wir die Instrumente auf ihre Funktionstüchtigkeit hin überprüft. Die astronomischen Beobachtungen laufen erst in diesem Monat richtig an. Rund 500 Teams aus Europa, den USA und Japan sind an ihnen beteiligt, insgesamt also mehr als tausend Astronomen. Auf der Ende Mai vorgesehenen Astronomentagung im ESTEC in den Niederlanden dürften wir sehr viel mehr zu berichten haben."
Weitere Auskunft über ISO erteilen:
ESA Abteilung Öffentlichkeitsarbeit (Paris)
Simon Vermeer: +33.1 53.69.7106
ESA-Projektwissenschaftler
Dr. Martin Kessler: +34.1 813.1253
Hauptexperimentatorin/Kamera (ISOCAM)
Prof. Catherine Cesarsky: +33.1 69.08.7515
Hauptexperimentator/Photometer (ISOPHOT)
Prof. Dietrich Lemke: +49 6221.528.259
Hauptexperimentator/Kurzwellen-Spektrometer (SWS)
Dr. Thijs de Graauw: +31 50.363.4074
Hauptexperimentator/Langwellen-Spektrometer (LWS)
Prof. Peter Clegg: +44 171.975.5038