Zwar wurden in den letzten 30 Jahren bereits rund hundert verschiedene Molekülarten im interstellaren Raum ausfindig gemacht, doch wurde mit der Entdeckung von Fluorwasserstoff nun erstmals ein fluorhaltiges Molekül in einer interstellaren Gaswolke aufgespürt. Die Entdeckung wird in einem Artikel in den "Astrophysical Journal Letters" veröffentlicht.
Die Astronomen suchten nach Fluorwasserstoff-Molekülen in einer riesigen Wolke interstellaren Gases nahe dem Zentrum unserer Milchstraße. Die neuen Beobachtungen wurden im März mit dem Langwellen-Spektrometer, einem der vier wissenschaftlichen Instrumente an Bord von ISO, durchgeführt. In dem als "fernes Infrarot" bezeichneten Teil des elektromagnetischen Spektrums stießen die Astronomen auf die charakteristische Signatur, die die Absorption durch Spuren von Fluorwasserstoff-Gas hinterläßt.
"Da die Erdatmosphäre für Infrarotstrahlung völlig undurchlässig ist, sind die von uns angestellten Beobachtungen nur vom Weltraum aus möglich", sagt Prof. David Neufeld von der Fakultät für Physik und Astronomie der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore, der die für die Entdeckung verantwortliche Astronomengruppe leitet. "Der Satellit ISO eröffnet uns dank der Beobachtungsmöglichkeiten im fernen Infrarot aufregende neue Einblicke in das Universum." Die charakteristische Wellenlänge, bei der Fluorwasserstoff-Moleküle Strahlung absorbieren, liegt bei etwa einem achtel Millimeter und ist damit viel größer als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts, andererseits aber viel kleiner als die Wellenlängen, die normalerweise für Funk- und Fernsehübertragungen genutzt werden.
In konzentrierter flüssiger Form ist Fluorwasserstoff bzw. Flußsäure, wie seine wäßrige Lösung heißt den Laborchemikern als äußerst giftige und ätzende Säure bekannt, die Glas auflöst und an menschlichem Gewebe starke Verbrennungen hervorruft. Die Gaswolke, in dem Fluorwasserstoff-Moleküle entdeckt wurden, liegt rund 20 000 Lichtjahre von der Erde entfernt im südlichen Sternbild Schütze. Sie trägt die Bezeichnung Sagittarius B2 und setzt sich hauptsächlich aus Wasserstoffmolekülen zusammen. Wie in anderen interstellaren Gaswolken sind die Umgebungsbedingungen in Sagittarius B2 nach irdischen Maßstäben sehr extrem, mit Temperaturen unter -220° C und Drücken, die über hundert Billionen Mal kleiner sind als der Luftdruck auf der Erde. Und obwohl dort Fluorwasserstoff mehr als eine Milliarde Mal weniger häufig vorkommt als elementarer Wasserstoff, wurde er dank der hohen Empfindlichkeit der ISO-Spektrometer dennoch aufgespürt.
"Diese Entdeckung gibt uns die Möglichkeit, die Chemie der Fluorwasserstoff-Moleküle unter den extremen Bedingungen zu untersuchen, wie sie im Quasi-Vakuum des interstellaren Weltraums herrschen", sagt Neufeld. "Eine der wichtigsten Fragen ist, wie diese Moleküle entstanden sind. Wir vermuten, daß der von uns entdeckte Fluorwasserstoff aus direkten chemischen Reaktionen zwischen Fluoratomen und Wasserstoffmolekülen stammt. Anders als die meisten Atome reagieren Fluoratome sehr leicht und greifen die verhältnismäßig trägen Wasserstoffmoleküle an, die den Hauptanteil des interstellaren Gases ausmachen. Das Ergebnis ist Fluorwasserstoff."
Dem Team, das den Fluorwasserstoff entdeckt hat, gehören neben Neufeld die Professoren Jonas Zmuidzinas und Thomas Phillips vom California Institute of Technology sowie Dr. Peter Schilke vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn an. Die Beteiligung von Neufeld, Zmuidzinas und Phillips als ISO-Gastbeobachter wurde von der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA gefördert.
Der Satellit ISO wurde von der ESA gebaut und gestartet. Seine Instrumente wurden von Hauptexperimentatoren in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden bereitgestellt. ISO wird von der ESA mit Unterstützung der NASA betrieben.
Das Langwellen-Spektrometer wurde von einem Konsortium von Wissenschaftlern und Ingenieuren aus Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und den Vereinigten Staaten unter der Leitung von Prof. Peter Clegg vom Queen Mary and Westfield College der Universität London gebaut.
Weitere Auskunft erteilen:
Prof. David Neufeld, Tel.: +1-410-516-8582, E-Mail: neufeld@pha.jhu.edu (Johns-Hopkins-Universität)
Dr. Peter Schilke, Tel.: 49-228-525-380, E-Mail: schilke@mpifr-bonn.mpg.de (Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn)
Prof. Peter E. Clegg, Tel.: +44 (0)171 975 5038, Fax: +44 (0)181 980 0986, E-Mail: p.e.clegg@qmw.ac.uk (Universität London)